China hat einmal mehr seine Überlegenheit unter Beweis gestellt und beide Endspiele der Team-Weltmeisterschaften 2022 in Chengdu (30.9.-09.10.) gewonnen. Kann China in Zukunft herausgefordert werden? Wird Tomokazu Harimotos überragende Leistung im Halbfinale gegen China die gleiche Wirkung auf andere Spitzentalente haben wie einst die des englischen Läufers Roger Bannister, der 1954 als Erster eine englische Meile unter vier Minuten lief?

Die chinesische Tischtennis-Frauenmannschaft ist wahrscheinlich die erfolgreichste in der gesamten Sportgeschichte. Seit 1975 wurden sie 21 von 23 möglichen Malen Mannschaftsweltmeister! Die entsprechende Leistung der Männermannschaft ist fast genauso beeindruckend: 18 von 23. In den letzten 20 Jahren hat China nur ein einziges Mal verloren, die Damenmannschaft 2010 im Finale gegen Singapur.

Gibt es Anzeichen für Veränderungen?
Gab es in Chengdu Anzeichen dafür, dass die lange chinesische Mauer des überragenden Erfolgs an Stabilität verliert? Nein und ja. Bei den Frauen war China nie in Gefahr. Sie haben nur einen Satz im Finale verloren, Mima Ito 1:3 gegen Wang Manyu.
Das war irgendwie eine Enttäuschung. Vor einigen Jahren hat Mima Ito die besten Chinesinnen oft besiegt, wie zum Beispiel bei den Swedish Open 2018, als sie Ding Ning, Liu Shiwen und Zhu Yuling bezwang und das Turnier gewann. Danach wurde Mima Ito von den Chinesen intensiv studiert. Durch detaillierte Spielanalyse konnte China nachweisen, dass die Chancen auf einen Punktgewinn umso größer sind, je länger die Ballwechsel gegen Ito sind. Diese Tatsache hat das Training für die Besten in der Nationalmannschaft angepasst. Und weder bei den Olympischen Spielen in Japan noch bei der Team-WM in Chengdu, als die erst 21-jährige Ito eigentlich ihre Chance bekommen sollte, hat sie es geschafft.
Und heute ist sie nur noch selten in der Lage, die Besten aus China zu besiegen. So wie ihre Landsfrau Hirano, die ebenfalls in jungen Jahren eine Hoffnung aufkeimen ließ, indem sie die chinesischen Spitzenspielerinnen besiegte.

Harimoto durchbrach das Muster
Dieses Muster durchbrach jetzt allerdings Tomokazu Harimoto in Chengdu. Der 19-Jährige setzte die Chinesen so stark unter Druck wie niemand mehr seit dem sensationellen Sieg der Schweden in Kuala Lumpur im Jahr 2000. Tomokazu Harimoto hat die Tischtenniswelt schon mehrmals verblüfft, aber noch nie so wie im Halbfinale gegen China, als er sowohl Wang Chuqin als auch Fan Zhendong besiegte! Das bedeutete ein 2:2 im Mannschaftskampf, der im Entscheidungsspiel zwischen Shunsuke Togami, 21, und Wang Chuqin, 22, entschieden werden musste. Als Togami im ersten Satz gegen Wang mit 9:4 in Führung ging, war der Druck auf China groß. Doch Togami war der Situation mental nicht gewachsen, wurde unglaublich nervös und so gelang es Wang, das Spiel zu drehen und China vor einer Katastrophe zu bewahren. Das Endspiel gegen Deutschland wurde dann souverän gewonnen.
Bereit, um China herauszufordern
Zusammenfassend lässt sich also feststellen: Die Dominanz Chinas bei den Frauen zu brechen, scheint in den kommenden Jahren fast unmöglich. Aber was Tomokazu Harimoto tat, war etwas ganz Besonderes. Sein unerschrockener, mutiger und mental starker Auftritt ließ die Hoffnung aufkeimen, dass China bei den Männern herausgefordert werden kann. In Chengdu und in der nahen Zukunft. Und diese Hoffnung verbreitet sich auch außerhalb Japans, das neben Harimoto, Togami und Yukiya Uda, ebenfalls 21, viele gut entwickelte Spieler in jungen Jahren im Team hat – wie Sora Matsushima, Jahrgang 2007, und den kleinen Soma Ito, Jahrgang 2011, den überlegenen Sieger der Euro Mini Champs in der Altersklasse 2009 in diesem August.

Eine neue Hoffnung wird geboren
Mehrere europäische Länder mit ganz jungen und nicht mehr ganz so jungen Spielern zeigten die Energie und den Willen, ähnliche Helden wie die Schweden aus den späten 80ern bis zu den 2000ern werden zu wollen. Hoffentlich hat Harimoto den Weg gewiesen wie einst Roger Bannister 1954, als er als erster Mann eine englische Meile unter vier Minuten lief. Danach waren plötzlich mehrere Läufer in der Lage, die Vier-Minuten-Marke zu durchbrechen.
Die anderen hatten zwar die Fähigkeit in ihren Körpern, aber es brauchte Bannister, um in der Praxis zu zeigen, dass es möglich war, wodurch die anderen dann in der Lage waren, ihre innere psychische Barriere zu überwinden und zu begreifen, dass es möglich war, unter vier Minuten zu laufen.

Frankreich mit den Gebrüdern Lebrun, Felix, 16, und Alexis, 19, wird interessant zu verfolgen sein. Ebenso wie Schweden mit Truls Möregårdh, 20, Anton Källberg, 25, und Kristian Karlsson, 31, der zwar schon etwas älter ist, aber mit einem neuen, kompletteren Spielsystem aufwarten konnte, welches in Chengdu eine neue Spitze seines Potenzial zeigte. Auch Deutschland hatte eine spannende Aufstellung – der frischgebackene Einzel-Europameister Dang Qiu, 25, Benedikt Duda, 28, Kay Stumper 20. Auch Patrick Franziska, 31, hat noch viele Jahre vor sich. Polen ist ebenfalls interessant, mit vielen talentierten Spielern hinter dem U21-Einzel-Europameister von 2022, Samuel Kulczycki, der sein Talent seit vielen Jahren am Liebherr Masters College in Ochsenhausen, Deutschland, weiterentwickelt.
Mehr Informationen über die Weltmeisterschaften 2022 auf der Homepage der WTT:
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